Beobachter gehen davon aus, dass Amazon in Kürze, wie es bereits einige andere Anbieter in Deutschland machen, mit dem Online-Verkauf von Lebensmitteln hierzulande starten könnte. Der Name der neuen Amazon-Sparte lautet Amazon fresh.
Bekanntlich ist das amerikanische Online-Kaufhaus nicht irgendwer: Der US-Konzern steuert auf einen Umsatz von 100 Milliarden US-Dollar zu und ist der weltgrößte Marktplatz für Hunderttausende Online-Shops. Damit ist Amazon ein Koloss, der durchaus Wettbewerb auf Grund seiner Größe verdrängt. Hilfreich sind dabei gerade in der EU diverse Steuerumgehungs-Modelle, welche sich Amazon geschickt aufgebaut hat – beispielsweise über Luxemburg oder Irland.
Möchte man sich die Größe von Amazon vor Augen führen, ist ein Vergleich zu einem anderen Handelskonzern hilfreich: zum führenden deutschen Lebensmittel-Discounter ALDI mit seinen beiden Vertriebsarmen Aldi Nord und Aldi Süd. So bringt es die Aldi-Gruppe gesamt auf einen Umsatz von circa 75 Milliarden Euro jährlich.
In einem Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche sagte Rewe-Chef Alain Caparros, er erwarte mit dem Einstieg von Amazon fresh in den breiteren Lebensmittelhandel in Deutschland nicht, dass nur ein bisschen Staub aufgewirbelt werde. Vielmehr könne er sich einen Sturm vorstellen, der die Branche grundlegend verändern könne. Diese Worte sind umso erstaunlicher, als dass Rewe selber Bestandteil des Lebensmittel-Verdrängungswettbewerbes in Deutschland ist.
Jedenfalls schrieb Caparros: "Für Amazon ist Deutschland der zweitwichtigste Markt der Welt. Wer glaubt, dass dieses Unternehmen hierzulande nur mal so testet, was geht oder nicht geht, ist naiv."
Wann genau Amazon Fresh startet, ist nicht klar. Gerüchte besagen, der Herbst könne als markanter Starttermin von dem US-Konzern gewählt werden. Voraussichtlich werde Amazon sich dabei (zunächst) auf 15 Vertriebspartner in Deutschland stützen.
Wir meinen: Gut möglich, dass künftig auch Rewe einer dieser Partner ist, auch Aldi, Lidl, Edeka, Markt oder Netto. In den USA arbeitet Amazon fresh aber auch mit einigen kleineren Geschäften und Restaurants in der Nachbarschaft zusammen und gibt sich so den Geruch von Marktnähe, Bio und des Förderers des Verkaufs lokaler hausgemachter Produkte.
Das bedeutet: Gut möglich, dass Amazon Fresh mittelfristig auf ein ähnliches Konzept setzt, wie in seinem Marketplace. Und das würde bedeuten: Hunderttausende Gastrobetriebe dürften dann über Amazon Fresh ihre Produkte anbieten, der günstigste erhält von Käufern dann den Zuschlag, der eine zeitnahe Lieferung in der jeweiligen Region garantieren kann.
Entsprechend schreibt denn auch Caparros, dass es für den Lebensmittelhandel "höchste Zeit“ sei, "über den Tellerrand der eigenen Branche hinauszublicken und weiter zu denken, wohin uns die Digitalisierung treibt".
Schon heute bieten zahlreiche deutsche Supermärkte einen Online-Service an. Hinzu kommen diverse Lebensmittel-Apps, über welche man online Lebensmittel bestellen kann. Doch nach wie vor ist der Umsatz, welcher mit Online-Lieferungen von Lebensmitteln getätigt wird, in Deutschland im Promillebereich.
Laut einer Umfrage gaben 2015 lediglich 6% der Befragten an, sie würden in Deutschland Lebensmittel gerne online kaufen, 93% sagten, sie würden Lebensmittel nach wie vor klassisch im Einzelhandel kaufen wollen (Quelle: statista.com).
Der Handelsverband Deutschland (HDE) schrieb wiederum in einem Jahresbericht: "Online einzukaufen gehört für die Verbraucher in Deutschland längst zum Alltag. Dies gilt jedoch (noch) nicht für Fast Moving Consumer Goods (FMCG). Trotz des allgemeinen Wandels beim Einkaufen bleibt der E-Commerce bei FMCG auch in 2014 noch auf geringem Niveau: Lediglich 1 Prozent aller Gesamtausgaben für FMCG werden online getätigt." Zu den Fast Moving Consumer Goods gehören vor allem Lebensmittel.
Der größte Lebensmittelproduzent der Welt ist der Schweizer Nestle-Konzern mit einem Umsatz von rund 100 Milliarden US-Dollar (89,51 Mrd. Euro) jährlich.
Das meiste Geld geben die Deutschen im täglichen Konsumbereich für Lebensmittel aus und zwar 13,6%. Die Süßwaren stellen dabei mit einem Umsatzblock von 12,82 Mrd. Euro die stärkste Triebfeder dar (Quelle: statista.com).
AmazonFresh ist in den USA nicht kostenlos. So wurde beispielsweise kürzlich anlässlich des bevorstehenden Starts von Amazon fresh in der amerikanischen Stadt Boston geschrieben, wonach die Jahrespauschale bei saftigen 299 US-Dollar (268 Euro) liege. Dieser Betrag enthalte bereits 99 US-Dollar (88,61 Euro) Jahresgebühr für Amazon Prime. Im Gegenzug zur hohen Jahrespauschale garantiere Amazon aber eine 24-Stunden-Lieferung von Lebensmitteln.
Amazon fresh im Netz: fresh.amazon.com