Zalandos Pressestelle sagte, wonach man im Jahr 2013 einen Nettoumsatz für Zalando von 1,8 Milliarden Euro ausweise. Was Zalando unter "Nettoumsatz" versteht, ist nicht ganz klar: ist das der vermittelte Umsatz von Waren abzüglich der Versandkosten? Zum Vergleich: Reiseportale wie ab-in-den-urlaub.de werden in der jährlichen Statistik des Reisefachmagazins FVW nach Schätzungen auch mit bis an die 1 Milliarde Euro vermittelten Reiseumsatz geführt. Ist das vergleichbar?
Das ist schwierig zu sagen. Grund: Sowohl Zalando wie ab-in-den-urlaub.de sind letztlich Zwischenhändler: Es gibt eine Ware, die von Dritten zur Verfügung gestellt wird und die man dann an den Endkunden weiterreicht.
Zalando sagt, das Wachstum des Umsatzes sei dadurch erreicht worden, dass es gelungen sei, einen "erfolgreichen Ausbau der bestehenden Kategorien Schuhe und Bekleidung in den Kernmärkten" zu erreichen. Außerdem blicke man auf eine angeblich "starke Entwicklung der 2012 neu etablierten Märkte". Allerdings lesen wir gleichzeitig an anderer Stelle, wonach 50 Prozent des Zalando-Umsatzes alleine auf Deutschland entfallen würde - trotz der Internationalisierung in schwierigen Märkten.
Nun wissen Onliner: Umsatz wird im Internet auch eingekauft, durch eine Erhöhung der Marketing-Ausgaben für Google, Bing, Yahoo, Facebook, Affiliate -Programme. Zalando könnte nach Schätzungen eines Insiders weit über 100 Millionen Euro jährlich alleine für Google Anzeigen ausgeben. Hinzu kommen weitere Ausgaben für TV-Werbung und sonstige Marketing-Maßnahmen.
Um Zalando als Unternehmen bewerten zu können, hilft definitiv ein Blick in das neue Buch rund um Rocket Internet, "Die Paten des Internets. Zalando, Jamba, Groupon - wie die Samwer-Brüder das größte Internet-Imperium der Welt aufbauen".
Geschrieben wurde es von Joel Kaczmarek, Herausgeber des von der Axel Springer Group aufgekauften Online-Magazins "Gründerszene". Zu Axel Springer gehören auch die Bild-Zeitung, Die Welt, Computer Bild oder idealo.de (ein Preisvergleichsportal, das aber auch Reisen vermittelt).
Auch wenn Kaczmareks Rocket-Buch sich über weite Strecken wie ein Rocket Internet-PR-Buch liest, sind doch zahlreiche gute Fundstücke enthalten. Wer das Buch liest, muss sich vor Augen führen: Es wird wahrscheinlich einen gewissen Deal mit dem Rocket-Management gegeben haben, nach dem Motto: zu kritische Strecken bleiben draußen, dafür erhält Joel Kaczmarek etwas mehr Eindrücke als üblich.
So bietet das Buch über Rocket Internet im Kapitel "Zalando - die Entstehung eines E-Commerce-Riesen" auf den Seiten 228 bis 264 einige gute Eindrücke. Zum Beispiel, dass das Vorbild für Zalando der US-Anbieter Zappos gewesen sein könnte. Dieses Unternehmen wurde für 928 Millionen Dollar an Amazon verkauft. Ebenfalls erfahren wir, dass Zalando Ende 2008 lediglich 20 Mitarbeiter beschäftigt habe. Weiter lesen wir beispielsweise auf Seite 234:
"Wenn Zalando es auf einen Umsatz von 50 Millionen Euro bringen wollte, musste es zunächst Waren-Investitionen von 50 Millionen Euro tätigen. Zwar wiesen Schuhe keine schlechte Marge auf, doch gleichzeitig stand Zalando unter dem Druck, attraktive Versandpreise bieten zu müssen, was ebenfalls einen hohen kostenlosen Rückversand enthielt".
Auch wenn sich die Wachstumgsraten von Zalando großartig lesen, muss man sich doch vor Augen führen: Der Umsatz von Aldi Süd und Aldi Nord wird auf 70 Milliarden Euro beziffert - noch.
Es ist bekannt, dass die Rücklaufquoten sich in Unternehmen wie Zalando bei um die 50 Prozent bewegen. Das bedeutet: jedes zweite Paket geht wieder zurück an die Lager von Zalando - beispielsweise in Thüringen (ein Lager, welches unter anderem mit Fördergeldern erbaut worden ist). Das räumten auch Robert Gentz und Rubin Ritter, Zalandos Geschäftsführer, ein.
Wer von Zalando spricht, muss auch von Verleger und E-Commerce-Anbieter Stephan von Holtzbrinck aus Stuttgart sprechen und hier konkret von seiner "Holtzbrinck Ventures", dem "Haus- und Hof-Finanzierer" von Rocket Internet. Sehr früh, bereits im September 2008, war Holtzbrinck Ventures ein Investor in das Zalando-Projekt.
Im Rocket-Buch lesen wir weiter:
"Der charismatische Unternehmer (Oliver Samwer) verstand es mit Abstand am besten, Investoren zu überzeugen, indem er lebhaft und in anschaulichen Metaphern sprach, mit denen er genau den Nerv dessen traf, was Investoren hören wollten. Sein guter Track-Record tat das übrige, um überzeugend auf andere zu wirken."
Ebenfalls einer der frühen Investoren in den Zalando-Shops ist der deutsche Milliardär Karl Erivan Haub, Sohn des Gründers der Tengelmann-Gruppe. Auch mit ihm hat Rocket-Internet-Boss Oliver Samwer seit 2009 einen guten Draht, weshalb nicht verwundert, dass Oliver Samwer auch Karl Erivan Haub als einen Investor für Zalando gewinnen konnte. Hier zitiert Joel Kaczmarek eine interessante Stellungnahme von Oliver Samwer:
"Im Oktober 2009 habe ich beschlossen: Den Herrn Haub rufe ich an und frage ihn mal, ob er nicht ein Unternehmen für seine Kinder aufbauen möchte. Ich habe ihm gesagt: Ich denke, dass E-Commerce auf jeden Fall passieren wird. Und ich glaube nicht, dass Sie es mit Ihrem Unternehmen alleine schaffen werden. Wollen Sie nicht auf ein zweites Pferd setzen?.... (Andere klassische Händler) setzen nur auf ein Pferd, auf ihr eigenes. Sie denken: Ich bin Händler, ich kenne das Geschäft seit 30 Jahren, vielleicht schon in der dritten Generation. Das mit dem E-Commerce ist doch nichts anderes, als ein Laden oder ein Versandhausgeschäft".
Dass dieses nicht so ist, zeigt die aktuelle Karstadt-Krise. Insofern gehört Samwers Strategie sicherlich auch in die Rubrik: Das geile Spiel mit der Angst beim anderen.
Schon damals deutete sich an, dass es Oliver Samwer mit Rocket Internet verstand wie kein anderer in der deutschen Internet-Szene, die Milliardäre der Welt ins Boot zu holen und auch zu Investments in die Online-Welt zu überreden.
So gelang es Oliver Samwer - in der Szene von vielen Oli genannt - doch tatsächlich, trotz der Weltwirtschaftskrise, welche im Jahr 2009 in vollem Gange war, den Tengelmann-Boss Karl Erivan Haub nach diversen Telefonaten dazu zu bewegen, 20 Millionen Euro in Zalando zu investieren. Dabei gelten Oliver Samwers aggressive hohe Frequenz an Telefonanrufen, ebenso der hochfrequenzige E-MailTakt - alles gepaart mit Charm - als legendär. Andere sagen aber auch, Oli neige dabei zur Penetranz.
Schon damals beherrschte Oliver Samwer das Spiel durch diverse komplexe Verträge dem Investor einen relativ kleinen Teil am Unternehmen abzugeben und somit nach außen hin den Eindruck zu erwecken, als sei ein Unternehmen schon in der Anfangsphase unglaublich viel wert.
So wurden 2009 Zahlen in den Umlauf gebracht, wonach auf Grund der Tengelmann-Investition von 20 Millionen Euro man davon ausgehen könne, dass Zalando schon damals angeblich 200 Millionen Euro wert sei. Ein Unternehmen, das noch vor wenigen Monaten nur 20 Mitarbeiter beschäftigt hatte?
Wie im Falle von Jamba oder ab-in-den-urlaub.de beschritt auch Zalando in einer frühen Phase den Weg zur die Onlinewerbung ergänzenden TV-Werbung. Der Ruf "Schrei vor Glück", welcher von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt entwickelt worden war, gilt als legendär.
Früh auch ließ sich Zalando darauf ein, mit der ProSiebenSat.1-Gruppe einen Mediendeal einzugehen: TV-Werbung für lau also, gegen einen Anteil an Zalando. Im Buch "Die Paten des Internet" lesen wir auf Seite 243:
"Die Wirtschaftskrise hatte es mit sich gebracht, dass Fernsehsender wie die ProSiebenSat.1-Gruppe sich neuen Vermarktungskonzepten öffnen mussten, und Zalando war im Begriff, einen der ersten groß angelegten deutschen Media-for-Equity-Deals einzugehen: Das Unternehmen würde lediglich rund zehn Prozent der üblichen Werbelistingpreise bezahlen und ProSiebenSat.1 dafür mit einer Mischung aus Anteilen am Umsatz und einer Unternehmensbeteiligung über Optionen entlohnen, die sich nach dem Erfolg der ausgestrahlten Spots richtete."
Am Ende stand einer der größten Werbedeals zu einem recht niedrigen Preis für Zalando in der ProSieben-Sat1-Gruppe (Pro7, Sat.1, Kabel1). Angeblich soll der Brutto-Mediawert für Zalando in der ProSiebenSat.1-Gruppe bereits im Jahr 2012 bei um die 75,6 Millionen Euro gelegen haben. Der Nettowert dürfte unter normalen Umständen mit einem Abschlag von 50 bis 70 Prozent bewertet werden.
Als wichtigster früher Key-Investor für Zalando ist auch die schwedische AB Kinnevik Gruppe zu nennen. Sie beteiligte sich an Zalando im Jahr 2010 mit 10 Millionen Euro und erhöhte in der Folgezeit die Investments an Zalando auf über 630 Millionen Euro. Dafür konnte Kinnevek im Juni 2013 über 38 Prozent der Zalando-Anteile verfügen.
Neben Karl Erivan Haub, Stephan von Holtzbrinck, der Kinnevik Gruppe, gehören auch der russischstämmige US-Milliardär Len Blavatnik (Beteiligungsgesellschaft Access Industries) sowie der dänische Millionär und Asos-Mitbesitzer Anders Holch Povlsen zu den frühen Zalando-Paten. Hinzu kommen die US-Investmentbank J.P. Morgan, sowie der bekannte Internet-Investor Putnam und das amerikanische Family Office Quadrant Capital Advisors.
Als Zalando-Investor bekannt ist auch die kanadische Gruppe "Pensionsfonds Ontario Teacher's Pension Plan". Hinzu kommen öffentlich als "Kreditgeber für Zalando" bekannte Institutionen: Nach Angaben des Buches "Die Paten des Internet" seien hier beispielsweise die Commerzbank, die Sparkasse Mittelthüringen sowie die KfW Bankengruppe zu nennen. Sie hätten Zalando beispielsweise mit einem Kredit in Höhe von 40,7 Millionen Euro zur Seite gestanden.
Trotz dieser zahlreichen Investoren steht heute ein Fakt: Zalando soll Schulden von über einer Milliarde Euro haben. Deshalb gilt der Börsengang von Zalando als einmalige Chance, diese Schulden wieder loszuwerden.
Dabei sind Zahlenvergleiche, wonach Zalando angeblich an der Börse mit einem angeblichen Wert von 5,6 Milliarden Euro bewertet werden könnte und damit so hoch wie die Lufthansa, müßig.
Dass es nun im Internet zu Kommentaren kommt, wie jenem unter tagesschau.de, ist auch nicht verwunderlich. So schrieb dort beispielsweise ein "Insider" Namens 'Shaq78' am 18.09.2014 um 07:35 Uhr:
"Wer schon einmal die internen Prozesse dieses Unternehmens kennenlernen durfte fragt sich, wo dort ein Milliarden-Wert versteckt sein soll. Jeder kleine Kiosk ist besser strukturiert und effizienter. Bei Zalando wird im großen Stil Geld verbrannt und dilettantische Berufseinsteiger führen sich auf wie kleine Könige. In meinen Augen die größte Blase seit Jahrzenten - der neue Markt lässt grüßen.. ;-)...".
Bekannt ist bislang, wonach die Gründer von Rocket Internet, die Brüder Oliver Samwer, Alexander Samwer und Marc Samwer, zunächst angeblich keine Anteile an Zalando abgeben möchten. Mit der ersten Runde des Zalando-Börsengangs möchte Zalando mindestens 633 Millionen Euro einnehmen - für lediglich dürftige 11,3 Prozent der Anteilsscheine an Zalando. Doch mittel- bis langfristig darf als sicher gelten: Natürlich wollen die Samwers Geld machen... und zwar kräftig. Bislang war es meist so, sagte unlängst die ZDF-Sendung Frontal 21: Die Samwers kassierten ab, die Schulden lasteten dann auf anderen.
Angeblich habe man bislang, heißt es aus dem Umfeld von Zalando, bereits Zusagen von Ankerinvestoren in Höhe von knapp 127 Millionen Euro. Darunter seien angeblich ein schottischer Investmentfonds sowie Investoren von der Karibikinsel Bermuda und dem arabischen Raum.
Immerhin praktiziert Zalando das Modell der Mitarbeiterbeteiligung: So sollen angeblich rund 7000 Zalando-Mitarbeiter Aktien im Wert von jeweils 180 Euro geschenkt bekommen. Das ist nicht gigantisch viel, aber immerhin etwas:
Am Ende des großen Milliardenspiels steht für Zalandos Investoren aber vor allem die Frage im Raum: Wird sich das Investment in Zalando gelohnt haben oder wird man, wie im Falle von Amazon, zwar darauf verweisen können, einen theoretischen Börsenwert von vielen Milliarden Euro zu haben, aber niemals dauerhaft Gewinne ausgewiesen zu haben. Amazon hat beispielsweise seit 20 Jahren fast noch nie Gewinne ausgewiesen.Viele Antworten auf offene Fragen gibt es jedenfalls im 438 Seiten umfassenden Zalando Börsenprospekt.
Einige sagen sogar: Amazon war noch nie profitabel. Doch Profit ist nicht gleicht Profit: Wer 1995 in Amazon investierte, dann Aktien kaufte, der dürfte längst mit höchstem Gewinn seine Anteile an Amazon wieder versilbert haben können. Eines ist aber klar: Solche Spiele sind eher etwas für Großanleger, weniger für Kleinanleger, welche jeden Cent umdrehen müssen. Insofern: Ab heute können Player ihr Geld in Zalando investieren. Der Zalando-Thriller läuft.